"Muttis Tisch" - ein Tisch schreibt Grevener Geschichte

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"Muttis Tisch" - ein Tisch schreibt Grevener Geschichte

Heimatverein Greven
Veröffentlicht von Thomas Grünert in Verein · Dienstag 04 Okt 2022
Muttis Tisch im Heimathaus - Heimatverein freut sich über ein weiteres Stück Grevener Geschichte in der Alten Post

Ein weiteres Stück Grevener Geschichte hat Einzug gehalten in die „Alte Post“, Alte Münsterstraße 8. „Muttis“ (Textilfabrikantin Elisabeth Cramer-Halstrup) großer Konferenztisch steht jetzt im Heimathaus. Ab sofort können an dem Tisch, an dem über viele Jahre auch Grevener Industriegeschichte mitentschieden wurde, die Gäste des Heimatvereins Platz nehmen. Besonders an den Tagen der offenen Tür (jeweils Mittwoch- und Samstagvormittag 10-12 Uhr) sind alle Interessierten zu gemütlichen Gesprächen und einer Tasse Kaffee rund um den über vier Meter langen Eichentisch eingeladen.

Heimatvereins-Vorsitzender Herbert Runde freut sich über den großen Tisch, der neben dem Ratsherren-Tisch aus dem alten Grevener Rathaus jetzt eines der erinnerungsträchtigen Möbel im Heimathaus ist. „Es war gar nicht so einfach, den großen Tisch in die Alte Post zu transportieren. Doch uns war wichtig, den großen Eichentisch unbedingt zu retten, denn in der Größe war es wohl schwer, ihn irgendwo repräsentativ unterzubringen“.

In der Tat hat der historische Tisch eine interessante Odyssee hinter sich. In den 50er und 60er Jahren stand er im Konferenzraum der Strickerei Halstra an der Saerbecker Straße, dort, wo sich heute der Lidl-Markt befindet. Mitte der 50er Jahre wurden bei Halstra mit rund 550 Beschäftigten noch täglich rund 5000 Stück Fertigkleidung produziert. Im Dezember 1971 wurde die Firma aufgelöst, der Tisch wanderte in die Villa Halstrup, Eschstraße 14, die per Erbe später als „Haus Martinus“ an die St. Martinus-Gemeinde ging. Von dort wurde der Tisch samt Stühlen später ins „Haus Liudger“ an der ehemaligen Marien-Kirche gebracht und diente dort viele Jahre als Versammlungstisch. Mit dem geplanten Abriss musste das historische Möbelstück nun eine neue Bleibe finden. Dank Michael Hüttermann, Verwaltungsreferent der Martinus-Gemeinde, ist das nun das Heimathaus. Der Transport des guten Stücks war wahre Knochenarbeit, konnte man den schweren Eichentisch doch nicht in mehrere Teile zerlegen. Zusätzlich erhielt der Heimatverein 18 dazugehörige Stühle, die mittlerweile gerne von den Besuchern des Heimathauses genutzt werden.

Die Industrielle Elisabeth Cramer-Halstrup, von allen nur „Mutti“ genannt, war wohl eine der interessantesten Persönlichkeiten in der jüngeren Grevener Geschichte. 1882 in Köln geboren, heiratete sie 1904 den Grevener Christoph-Martin Halstrup von der Marktstraße. Das Ehepaar erweiterte das von Halstrups Vater übernommene Manufakturwarengeschäft (am Ort der heutigen Germania-Apotheke) um eine Strickerei, die „Mutti“ Halstrup aber nach den Tod ihres Mannes 1911 allein führen musste. Das tat sie auch nach ihrer späteren Heirat mit dem Grevener Textilfabrikanten Franz Cramer. 1967 starb sie, ohne den Niedergang der heimischen Textilindustrie und ihres Unternehmens miterleben zu müssen.

Um „Mutti“ Cramer-Halstrup ranken sich viele Anekdoten und Erinnerungen früherer Mitarbeiter. Sie war äußerst sozial eingestellt und ebenso fromm. Das soll sogar dazu geführt haben, so berichten ehemalige Mitarbeiter, dass an den Strickmaschinen gelegentlich auch Kirchenlieder gesungen wurden, um Mutti zu gefallen. Bekannt war auch ihr Dienstwagen, ein alter BMW V8, mit dem sie sich nicht nur sonntags zur Kirche bringen ließ, um dort in der ersten Bank der Messe beizuwohnen. Sie soll auch das alleinige Privileg genossen haben, sich mit der Limousine direkt auf den Friedhof chauffieren zu lassen, wenn sie dort die Gräber ihrer verstorbenen Ehemänner aufsuchen wollte. Geschäftlich soll sie dagegen ein „harter Knochen“ gewesen sein. So manches ihrer Geschäfte wird wohl an dem Konferenztisch beschlossen worden sein, der nun im Heimathaus steht.


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A. Schäfer
Dienstag 21 Mai 2024
Idyllisch liegt das Anwesen mit seinen hölzernen und mit Stroh gedeckten Gebäuden auf dem Hügel am Waldesrand. Als wir darauf zugingen, hatte ich die Empfindung, als sei es gerade von seinen Bewohnern verlassen worden. In dem aus ursprünglichen Materialien geflochtenen Zaun war eine Öffnung, durch die wir ungehindert passieren dürften. Tische und Bänke, welche die ursprüngliche Wuchsart der Bäume noch erkennen lassen, luden unter einem mächtigen Ahornbaum vor dem großen Haupthaus wie auch vor und in den verschiedenen Gebäuden zum Verweilen an. Backhaus mit tönernem Ofen, ein ebensolcher Schmelzofen, Vorratshäuser, eine Webhütte, ein Garten, in dem mittelalterliche Kräuter angebaut werden und anderes mehr...
Wenn man über das Gelände streift, findet man Interessantes zu den Vorrichtungen und Tätigkeiten, welche dort verrichtet wurden. Man ahnt, wie hart und arbeitsreich das Leben dort gewesen sein muss.
Was mir besonders gefällt: Der Hof befindet sich an dem Ort, wo tatsächlich archäologische Funde eines solchen gemacht wurden. Man darf die Stätte besuchen, ohne Eintritt zu bezahlen. Alles wirkt ganz ursprünglich.
Beim Studium der Homepage habe ich erfahren, dass ehrenamtlich die immense Arbeit des Erhalts des Hofes geleistet wird. Auch gibt es Veranstaltungen, an denen Tätigkeiten von damals demonstriert werden und teils auch zum Mitmachen eingeladen wird. Ich bin beeindruckt von dem Engagement der beteiligten Menschen. Vielen Dank!
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